Meine Kindheit lag in der Nazi-Zeit. Man muss wohl nicht kommentieren, was es bedeutet hat, nicht arisch zu sein, denn auch die Schwarzen fielen unter die Rassengesetze. Ich stamme aus einer einfachen Hamburger Familie. Mein Vater war der Generalkonsul von Liberia, aber den habe ich nicht wirklich kennen gelernt. Meine Mutter heiratete 1936 einen Arbeiter. Der war Sozialist, ein politisch bewusster Mensch und hat mich sehr geprägt und unterstützt. Er war eigentlich mein richtiger Vater und in ihm hatte ich eine unheimliche Hilfe.

Ich wollte Tänzerin werden, musste aber mit dreizehn die Tanzschule verlassen, was sehr schlimm für mich war. Danach wurde ich von den Nazis dienstverpflichtet. Für mich kam es nicht in Frage, in einer deutschen Familie im Haushalt zu helfen. Ich landete in Rothenburgsort in einer Barackenküche des KZ Neuengamme. Um es kurz zu machen: ich habe schreckliche Sachen gesehen. Ich habe den unerhörten Leidensweg von Leuten, die nicht in diese Gesellschaft hineinpassen sollten, am eigenen Leib erlebt. In dieser Zeit habe ich angefangen zu singen und wurde immer wieder ermutigt: »Du hast eine schöne Stimme. Du musst singen und erzählen, was du erlebt hast!« Also habe ich bewusst auf eine bürgerliche Karriere verzichtet und wurde nach dem Krieg politisch aktiv. Ich begann in einem Arbeiterchor, trat bei Friedens- und Gewerkschaftsveranstaltungen auf, hospitierte einige Monate am Brecht-Ensemble in Berlin und wurde aktiv in der Frauenbewegung.

Meine Lieder waren und sind für mich ein Mittel, mich am Leben zu halten und meine Würde als Frau, als schwarze Frau zu behaupten. Wenn man mich nach meiner politischen Motivation fragt, glaube ich, das hat mit meiner Geschichte zu tun. Alles, was ich erlebt habe, darf nie wieder passieren! Irgendwie mache ich alles, um denen, die jünger sind, vielleicht ein kleines Bild zu geben, was man empfunden hat und – wie ein Sandkorn am Strand, das sich selber als Sandkorn am Strand betrachtet – erlebt hat.

Quellen: Interviewtranskript von Prof. Tina Campt, Duke University, Durham/USA; Marina Achenbach: ›Fasia, geliebte Rebellin.‹ Oberhausen, 2004, S. 267. Bearbeitung und Collagierung des Textes erfolgten mit freundlicher Genehmigung von T. Campt und der Fasia-Jansen-Stiftung.